Ökotoxikologische Charakterisierung von Nonylphenol Isomeren (UBC)

Projektlaufzeit: 2004-2006      

Leitung:

Prof. rer. nat. Dr. Hans Toni Ratte


Bearbeitung:

Dr. rer. nat. Thomas G. Preuß


Auftraggeber:

DFG Graduiertenkolleg AGEESA

 

Hintergrund:

In der Europäischen Union sind zurzeit ca. 100 000 unterschiedliche Chemikalien registriert. Eine Risikoabschätzung existiert dabei erst für ca. 2700 neu registrierte Chemikalien. Aufgrund der hohen Anzahl ist es nicht möglich, innerhalb vertretbarerer Zeit, alle Substanzen auf ihre ökotoxikologische Relevanz hin zu testen. Um eine möglichst gute Risiko-Analyse mit geringer Datenbasis durchzführen, müssen die Mechanismen, die hinter der Wirkung von Substanzen stehen, verstanden sein. In dieser Arbeit wurde anhand von sechs Nonylphenol-Isomeren, mit sehr ähnlicher chemische Struktur, untersucht inwieweit Struktur-Wirkungsbeziehung für unspezifische Toxizität und estrogene Potenz möglich sind.

Im Daphnien-Immobilisations-Test und im Wasserlinsen-Wachstums-Hemmtest zeigten sich keine Unterschiede für die toxische Wirkung zwischen den untersuchten Isomeren. Für Daphnia magna wurde eine größenabhängige Sensitivität für Nonylphenol (p-NP) gefunden, wobei Neonate (<24 h) die höchste Sensitivität zeigten.
Die estrogene Potenz der p-NP-Isomere wurde im MVLN-Reportergen-Assay untersucht. Es wurden große Unterschiede in der estrogenen Potenz der Isomere gefunden. Während p353-NP eine ähnliche estrogene Potenz wie das p-NP Gemisch aufwies, zeigten andere Isomere (p262-NP, p22-NP) keine estrogene Potenz im MVLN-Reportergen-Assay. Mischungen aus mehreren Isomeren und einzelnen Isomeren mit 17ß-Estradiol legen die Vermutung nahe, dass auch die inaktiven Isomere mit dem Estrogen-Rezeptor interagieren. In einem Estrogen-Rezeptor Bindungsassay konnte definitiv gezeigt werden, dass alle Isomere an die Liganden-Bindungsstelle des Estrogen-Rezeptors binden. Die Mischung p-NP zeigt also sowohl estrogene als auch antiestrogene Wirkungsarten. Es erscheint also sinnvoll bei der Betrachtung dieser speziellen Wirkungsart zwischen den einzelnen Isomeren zu unterscheiden.

Um die größenabhängige Sensitivität für Daphnia magna zu erklären wurden Biokonzentrationsversuche mit radioaktiv markiertem p353-NP durchgeführt. Bei der Betrachtung der Gesamtradioaktivität wurde der Gleichgewichtszustand nach 48 h erreicht, wohingegen die Konzentration an p353-NP, gemessen mit Radio-HPLC, in den Daphnien bereits nach 12 h reduziert wurde. Für adulte Daphnien lag der BCF von p353-NP wesentlich niedriger, als die Abschätzung der Gesamtradioaktivität und die Vorhersage über QSAR vermuten ließ. Neonate Daphnien (<24 h) zeigten einen wesentlich höheren BCF bezogen auf die Gesamtradioaktivität.
Die Biokonzentration von p353-NP korrelierte mit dem Gewicht der untersuchten Daphnien. Es wurde ein größenabhängiges Ein-Kompartiment-Modell für die Darstellung der Gesamtradioaktivität und der p353-NP Konzentration entwickelt. Mit diesem Modell ließ sich die Biokonzentration für alle Daphnien zu allen Zeitpunkten beschreiben. Ein Vergleich der Biokonzentration von ungefütterten und gefütterten Daphnien ergab keinen Unterschied. Biomagnifikationsversuche mit vorher kontaminierten Algen zur Abschätzung der Bioakkumulation von p353-NP zeigten keine signifikante Aufnahme über die Nahrung im Vergleich zur Aufnahme aus dem Wasser.
Die größenabhängige Sensitivität von Daphnia magna für p353-NP konnte mithilfe des größenabhängigen Ein-Kompartiment-Modells und der Theorie der kritischen internen Konzentration erklärt werden.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung von strukturell ähnlichen Substanzen mit gleichen physiko-chemischen Eigenschaften zeigen klar auf, in wieweit Vereinfachungen und Struktur-Wirkungsbeziehungen in der Risiko-Analyse möglich sind. Für die Bioakkumulation und unspezifische Toxizität sind Struktur-Wirkungsbeziehungen möglich und die Kombination beider Mechanismen mit der Theorie der kritischen internen Konzentration würde eine Vereinfachung der Risiko-Analyse erlauben. Bei speziellen Wirkungsarten, wie der hier untersuchten Interaktion mit dem Estrogen-Rezeptor, hingegen konnte klar gezeigt werden, dass einfache Struktur-Wirkungsbeziehungen nicht in der Lage seien werden die Effekte zu beschreiben.