Etablierung einer Biotestbatterie für die Detektion endokriner Disruptoren (ESA)

Bearbeitung:

Sibylle Maletz
 

H295R Steroidgenesis Assay
Zuverlässige und sensitive Ermittlung rezeptorvermittelter und rezeptorunabhängiger Wirkungen von EDCs

Der H295R Steroidgenesis Assay ist ein In Vitro-Testsystem zur Identifizierung von Rezeptor-gebundenen und Nicht-Rezeptor-gebundenen Wirkungen endokriner Disruptoren. Bei der Zelllinie H295R handelt es sich um humane Nebennierenrindenkarzinomzellen, die diverse Steroide, darunter Estradiol, Testosteron, Progesteron sowie Glucocorticoide, bilden (Gazdar et al 1990, Rainey et al 1993, Staels et al 1993). Der Vergleich freigesetzter Steroide der intakten Nebennierenrinde mit der H295R-Zelllinie weist bei entsprechenden Kulturbedingungen und der Beachtung des Alters der Zellen eine gute Korrelation auf (Oskarsson et al 2006, Rainey 2004). Aufgrund dieser Eigenschaften ist der H295R-Test eine vielversprechende Alternative zu bestehenden Tierversuchen zur Detektion von Nicht-Rezeptor-gebundenen Wirkungen endokriner Disruptoren (Hecker et al 2006). Mit Hilfe eines kompetitiven Enzyme-linked Immunosorbent Assays (ELISA) wird nach der Belastung der Zellen mit potentiell endokrin wirksamen Substanzen die Konzentration (pg/ml) von Testosteron und Estradiol gemessen. Zusätzlich werden die belasteten Zellen auf ihre Vitalität getestet, um den Einfluss einer möglichen Cytotoxizität auf die Ergebnisse abzuschätzen. Durch einen Vergleich mit der Wirkung des Estradiol-Standards lässt sich das inhibitorische beziehungsweise induktorische Potential der getesteten Proben ermitteln (Hecker & Giesy 2008, Hecker et al 2007). Der H295R-Test befindet sich derzeit unter Federführung von Prof. Hecker (Entrix und University of Saskatchewan, Saskatoon, Kanada) und Mitarbeit von dem Institut für Umweltforschung der RWTH Aachen in der OECD-Validierung. Die Ergebnisse der internationalen Validierungsstudie waren so vielversprechend, dass in Kürze die OECD Norm vorliegen wird.      


LYES
Schnelles und kostengünstiges rezeptorvermitteltes Screening zahlreicher Proben


Der Yeast Estrogen (YES) Assay ermöglicht eine schnelle und kostengünstige Identifizierung estrogen wirksamer Substanzen (Routledge & Sumpter 1996). Er wird mit einer rekombinanten Hefezelllinie durchgeführt, die in ihrer Struktur, Biochemie und Molekularbiologie Ähnlichkeiten mit humanen Zellen aufweist, jedoch keinen eigenen Hormonrezeptor besitzt (Schrenk-Bergt & Steinberg 1998). Deshalb wurde der humane Estrogenrezeptor (hER) in das Chromosom der Hefe Saccharomyces cerevisiae integriert sowie ein Plasmid mit dem Rezeptorgen lac-Z eingeschleust, das für das Enzym ß-Galactosidase codiert (Routledge & Sumpter 1996). Bei der Belastung der Zellen mit endokrin wirksamen Substanzen binden diese Substanzen an den hER. In Folge einer Konformitätsänderung ist der Rezeptor dann in der Lage an das Estrogen Responsive Element (ERE) auf dem eingeschleusten Plasmid zu binden. Durch die Bindung wird die Expression der ß-Galactosidase initiiert. Der dem Medium zugesetzte Farbstoff CPRG (Chlorophenol red-ß-galactopyranosid) verändert durch ß-Galactosidase-induzierte Metabolisierung seine Farbe von gelb zu rot. Die Intensität der Rotfärbung wird mittels eines Photometers gemessen und mit der Positivkontrolle (17ß-Estradiol) verglichen (Murk et al. 2002, Rout-ledge & Sumpter 1996). Das an unserem Institut eingesetzte Protokoll entspricht weitgehend dem konventionellen Protokoll von Routledge & Sumpter (1996). Durch den Aufschluss der Zellen mittels des Enzyms Lyticase direkt vor der Inkubation mit CPRG wird jedoch die Sensitivität des Testsystems erhöht (Wagner & Oehlmann 2005). Des Weiteren wurde die Inkubation der Zellen mit den Testsubstan-zen von der Inkubation mit CPRG getrennt, da CPRG selbst endokrine Wirkung aufweist (De Boever et al 2001, Vanderperren et al 2001).
Der Yeast Androgen Screen (YAS) Assay weist grundsätzlich die gleiche Durchführung auf wie der YES Assay. In die verwendeten Zellen wurde jedoch der humane Androgenrezeptor integriert (Saccharomyces cerevisiae PGKhAR). Dieser Test eignet sich demnach für die Identifizierung von androgen wirksamen Substanzen (Gaido et al. 2001).


ER-CALUX
Ermittlung rezeptorvermittelter Wirkungen mit hoher Sensitivität und Zuverlässigkeit

Der ER CALUX Bioassay (Estrogen-Responsive Chemical-Activated Luciferase gene eXpression) ist eine schnelle und sensitive Methode für die Ermittlung von Substanzen, die an den Estrogen-Rezeptor (ER) binden können. Ein Komplex aus Rezeptor und Substanz bindet an spezifische Sequenzen der DNA, die estrogen responsive elements. Die im Test eingesetzte Zelllinie T47D.Luc wurde gentechnisch modifiziert indem das Reporter-Gen pEREtata-Luc in die humane Mammakarzinom-Zelllinie T47D transferiert wurde. Durch die Bindung des aktivierten ER an diese Sequenz wird die Transkripti-on des Gens für das Enzym Luciferase induziert. Um die Luciferase-Bildung zu messen, wird zu den exponierten und anschließend lysierten Zellen Luciferin pipettiert und die Lichtproduktion (Lumineszenz) mittels eines Luminometers bestimmt (Legler et al. 1999, 2002). Damit eine falsch-positive Aussage aufgrund endokriner Wirkungen des Wachstumsmediums ausgeschlossen werden kann, wird unmittelbar vor der Belastung der Zellen das Medium durch Steroid-freies Medium ersetzt. Als Referenz sowie um die Sensitivität des Systems einzuschätzen läuft auf jeder 96-Well-Testplatte ein E2-Standard mit. Die im Test eingesetzte Zelllinie exprimiert sowohl den ERa als auch den ERß und zeichnet sich durch eine hohe Sensitivität sowie eine hohe Reaktionsfähigkeit aus (GWRC 2008, Legler et al 1999).

 

Reproduktionstest mit Potamopyrgus antipodarum
In Vivo-Verfahren für die Ermittlung endokriner Disruption

Der Reproduktionstest mit der Zwergdeckelschnecke Potamopyrgus antipodarum stellt ein sensitives In Vivo-Testsystem zur Detektion endokrin aktiver Substanzen dar. Er lässt sich sowohl für Wasser- als auch für Sedimentproben anwenden (Duft et al 2007).
Die Weibchen dieser Art pflanzen sich unter Laborbedingungen hauptsächlich parthenogenetisch über Ovoviviparie fort. Deshalb ist es möglich, die exakte Embryozahl und somit die Fortpflanzungsleistung pro adulter Schnecke sowie der gesamten Population zu ermitteln. Die Versuchstiere werden in Glasgefäßen inkubiert und in regelmäßigen Abständen über 4 bis 8 Wochen wird die Embryonenproduktion ermittelt. Mittels dieses Testsystems lassen sich reproduktionshemmende und -fördernde Proben ermitteln (Duft et al 2003, 2007, Fomin et al 2003).      

Die Biotestbatterie ist sowohl für die Untersuchung komplexer Umweltproben (Sedimente, Schwebstoffe, Abwasserproben) als auch von Monosubstanzen sowie Pharmazeutika geeignet. Sie wurde an unserem Institut unter anderem erfolgreich bei Proben einer Krankenhaus-Kläranlage, Monosubstanzen, Pharmazeutika, Pestiziden, Sedimentextrakten u.ä. eingesetzt. Aufgrund der Kombination der verschiedenen Methoden ist somit eine umfassende Überprüfung unterschiedlicher Proben auf ihre endokrine Wirksamkeit möglich.